Geschichte der Arbeitsbewertung
Die heute gebräuchlichen Methoden und Anwendungsfälle von Arbeits- bzw. Stellenbewertung sind die Folge einer langen Reihe von Entwicklungen, die sowohl durch betriebliche Praxis als auch wissenschaftliche Forschung beeinflusst wurden.
Ausgangspunkt ist die Industrialisierung mit der damit einhergehenden Rationalisierung und der Produktion am Fließband im Akkord. Im Rahmen dieser durch Arbeitsteilung, Massenproduktion und Reduktion der Komplexität der Produktionsschritte geprägten neuen Arbeitswelt, erwiesen sich die klassischen Verfahren, Arbeit zu bewerten als obsolet. Die Industriearbeiter können nicht wie Kunsthandwerker für das gesamte Werk bezahlt werden, da sie primär einzelne, identische Komponenten eines Massenprodukts fertigten.
Diese Änderungen des Arbeitsprozesses und die damit einhergehenden Veränderungen der Anforderungen und Belastungen der Arbeitnehmer machten eine systematische Untersuchung und Bewertungen dieser Bedingungen notwendig und sorgten auch für eine neue Art der Unternehmensführung, das scientific management.
Das System der Arbeitswertermittlung der REFA in den 1920er Jahren ist ein prominentes Beispiel für die systematische Ermittlung von Akkordlöhnen anhand von Anforderungen und konkreten Arbeitsaufgaben.
Durch technologischen Fortschritt und gesellschaftliche Veränderungen entwickelten sich auch die Systeme zur Arbeitsbewertung weiter. Die klassische Stoppuhr der Messung in der Akkordproduktion wich abstrakteren Kategorien, mit denen eine größere Bandbreite von Tätigkeiten bewertet werden konnte:
- Geistige Anforderungen
- Körperliche Anforderungen
- Äußere Arbeitsbedingungen
- Verantwortung
Diese Kategorien finden sich zum Beispiel in den Hay Guide Charts, die 1948 von Dale Purve in den USA entwickelt wurden, oder auch im Genfer Schema, dass 1950 nach der Genfer Tagung des Comite International de Organisation Scientifique (CIOS) publiziert wurde.
Beide Systeme finden sich auch heute noch in zum Teil modifizierter Form in Verwendung, doch kann man kritisieren, dass diese Anforderungskataloge den Anforderungen an ein modernes Arbeitsbewertungssystem nur noch eingeschränkt gerecht werden. Zum einen ist die starke Gewichtung von körperlichen Anforderungen und Führungsverantwortung potentiell diskriminierend, zum anderen können die Anforderungen an heutige „knowledge worker“, Team- und Projektarbeit sowie Stellen im Dienstleistungssektor nur unzureichend erfasst werden.
Quellen:
Kosiol (1976) S.192ff
Wilson et al (2013) S. xxii
Taylor/Roesler (2011)
Albers (Hg) (1977) S.251f
Fischer (1994) S.198ff